Das Umsatzsteuerkarussell ist keine neue Attraktion auf dem Jahrmarkt, sondern ein strafbarer Steuerbetrug. Dabei werden Waren länderübergreifend in der europäischen Union verschoben um sich in unterschiedlichen Konstellationen die Umsatzsteuer unrechtmäßig zurückerstatten zu lassen.
Was die Umsatzsteuer ist und wie der Karussellbetrug mit der Umsatzsteuer funktioniert, zeigen wir in diesem Beitrag.
Inhalte dieser Seite
- Was ist die Umsatzsteuer?
- Wie funktioniert der Umsatzsteuerbetrug?
- Was ist das Umsatzsteuerkarussell?
- Warum ist das Umsatzsteuerkarussell profitabel?
Was ist die Umsatzsteuer?
Die Umsatzsteuer wird im Volksmund auch oft als Mehrwertsteuer bezeichnet. Sie fällt für alle Unternehmen, Firmen, Handwerker oder Selbstständige an, die Dienstleistungen und Waren produzieren bzw. verkaufen. Die Umsatzsteuer darf man jedoch als Unternehmen nicht behalten, sondern sie wird an das Finanzamt abgeführt. Umsatzsteuer, die man selbst bezahlt, z.B., wenn man etwas kauft, kann man sich von dem Finanzamt als sogenannte Vorsteuer erstatten lassen. Letztlich zahlt daher nur der private Endverbraucher die Umsatzsteuer, weil er sich diese nicht erstatten lassen kann.
Dazu ein Beispiel: Der Bäcker verkauft ein Brötchen für 1 Euro. Hierauf muss er für den Kunden die Umsatzsteuer erheben. Diese für den Kunden eingenommene Umsatzsteuer führt der Bäcker an das Finanzamt ab. Bei dem Einkauf der Zutaten für das Brötchen, also z.B. Mehl, oder für die Anschaffung von Maschinen, zahlt der Bäcker selbst Umsatzsteuer, die sog. Vorsteuer. Letztlich können Unternehmen die selbst gezahlte Umsatzsteuer (Vorsteuer) von der vereinnahmten Umsatzsteuer (z.B. bei dem Verkauf von Backwaren) abziehen.
Am Ende zahlt im Ergebnis nur der Kunde bzw. der private Endverbraucher die Umsatzsteuer, die zwangsweise durch den Händler – z.B. den Bäcker – abgeführt wird.
Wie funktioniert der Umsatzsteuerbetrug?
Der Umsatzsteuerbetrug bzw. das Umsatzsteuerkarussell setzt nun genau an der Berechnung bzw. Erstattung der Umsatzsteuer an. Geht man davon aus, dass die gestellten Rechnungen eines Großhändlers und die Erstattung der Vorsteuer des Unternehmens gleich hoch sind, ist die Umsatzsteuer in dem Fall für den Staat ein Nullsummenspiel – gezahlte Umsatzsteuer und erstattete Umsatzsteuer sind gleich hoch.
Beispiel: der Bäcker bestellt Mehl und zahlt 100 Euro Umsatzsteuer. Die Mühle, die das Mehl verkauft hat, führt diese 100 Euro als Umsatzsteuer ab. Der Bäcker lässt sich diese 100 Euro, die er als Vorsteuer gezahlt hat, zurückerstatten. Für das Finanzamt geht dieser Vorgang also neutral aus.
Wenn aber mit Rechnungen gearbeitet wird, die nur zum Schein ausgestellt wurden und für die keine Umsatzsteuer entrichtet wurde, entsteht dem Staat ein Schaden. Hat nämlich die Mühle gar keine Umsatzsteuer gezahlt, der Bäcker lässt sich diese aber erstatten, bleibt ein Minus von 100 Euro und damit ein Schaden für den Staat.
Umsatzsteuerkarusselle funktionieren in etwa nach diesem Prinzip.
Was ist das Umsatzsteuerkarussell?
Bei dem Umsatzsteuerkarussell machen sich die Täter die EU-Ländergrenzen zu nutze. Auch hier werden unrechtmäßige Erstattungen der Umsatzsteuer bzw. der Vorsteuer genutzt um verschiedene Finanzbehörden der EU-Staaten zu betrügen.
Dabei werden Waren mit der Motivation des Betrugs durch Scheinfirmen und über Staatsgrenzen verkauft und verschoben. In einem Kreislauf oder Karussell kommen die Waren dann schlussendlich wieder bei dem tatsächlichen Ursprung an.
Binnenmarktprinzip der EU und Umsatzsteuersystem
Grund dafür, dass ein solches System der Erstattung von Umsatzsteuern funktioniert, ist der offene Binnenmarkt in der EU und das Umsatzsteuersystem. In Deutschland und der EU wird das Netto-Allphasen-Umsatzsteuersystem mit Vorsteuerabzug angewendet. Dies bedeutet, dass in jeder Phase der Herstellung oder Erzeugung von Waren und Dienstleistungen bzw. deren Weiterveräußerung Umsatzsteuern erhoben und die Vorsteuer wieder zurückerstattet werden.
Bei unserem Beispiel des Bäckers, bekommt dieser sein Mehl von einer Mühle. Die Mühle hingegen muss den Weizen, den die Mühle zu Mehl mahlt, aber auch einkaufen. Hierfür zahlt der Erzeuger des Weizens Umsatzsteuer und die Mühle lässt sich diese erstatten. Und so wird auf jeder Stufe dieses Prozesses – Weizen erzeugen, Mehl mahlen, Brötchen backen – Umsatzsteuer in Rechnung gestellt und die Vorsteuer wieder zurückerstattet. Am Ende dieser Wertschöpfungskette steht der Endverbraucher, der die Umsatzsteuer letztlich zahlen muss.
Umsatzsteuerkarussell über Staatsgrenzen hinweg
Bei dem Umsatzsteuerkarussell machen sich die Betrüger auch eine weitere Besonderheit des europäischen Binnenmarktes zunutze. Lieferungen von Waren aus dem EU-Ausland in einen anderen EU-Staat sind umsatzsteuerbefreit. Wenn also eine Mühle aus Österreich das Mehl an den deutschen Bäcker liefert, wird keine Umsatzsteuer berechnet.
Beispiel: Unternehmen A aus dem EU-Ausland verkauft ein Handy an einen deutschen „Händler“ B. Dieser Handel ist umsatzsteuerbefreit. Unternehmen A wird als In-Buffer bezeichnet. Der Händler B verkauft das Handy nun mit Umsatzsteuer an das Unternehmen C. Händler B führt die eingenommene Umsatzsteuer aber nicht an das Finanzamt ab.
Händler B wird deshalb auch als Missing Trader bezeichnet, da es sich meist nur um eine Scheinfirma bzw. Briefkastenfirma handelt. Der einzige Zweck ist es, in kurzer Zeit viel Umsatz zu generieren. Ein echter Händler ist Händler B gerade nicht. Händler B wird den Betrieb zumeist nach kurzer Zeit einstellen um für die Steuerbehörden nicht greifbar zu sein und mit den zu Unrecht nicht abgeführten Umsatzsteuern unterzutauchen.
Nun ist das Handy bei Unternehmen C angekommen. Diese Station wird als Buffer bezeichnet. Unternehmen C verkauft das Handy weiter an Unternehmen D. Bei diesem Handelsgeschäft wird ein kleiner Gewinn aufgeschlagen. Unternehmen C handelt nun aber völlig regelkonform und führt die eingenommene Umsatzsteuer (aus dem Verkauf an D) verrechnet mit der gezahlten Vorsteuer (aus dem Kauf von B) korrekt an das Finanzamt ab.
Unternehmen D verkauft das Handy mit einem Aufschlag wieder an Unternehmen A zurück. Da dies wieder über EU-Grenzen geschieht, ist der Handel wieder umsatzsteuerbefreit. Unternehmen D wird als Distributor bezeichnet. Unternehmen D kann aber gegenüber dem Finanzamt die Umsatzsteuer, die er für den Kauf von Unternehmen C gezahlt hat, als Vorsteuer geltend machen.
Was bleibt übrig?
In diesem ganzen Karussellbetrug kann man sich fragen, was bleibt eigentlich übrig? Für das Unternehmen C und das Unternehmen D bleiben in jedem Fall die Preisaufschläge übrig.
Für Unternehmen B bleibt die Umsatzsteuer übrig, welche aus dem Geschäft mit C stammt und nicht an das Finanzamt abgeführt wurde. Hier entsteht für die Steuerbehörden im gesamten EU-Raum der größte Schaden.
Der Preis, den Unternehmen A für sein eigenes Produkt am Ende an Unternehmen D zahlt, ist geringer, als der Verkaufspreis an Unternehmen A.
Warum ist das Umsatzsteuerkarussell profitabel?
Der Profit des Umsatzsteuerkarussells liegt meist darin, dass noch weitere Strohfirmen und Scheinfirmen eingesetzt werden und die Summen der berechneten und gezahlten Umsatzsteuer häufig beträchtlich sind. Je mehr Zwischenschritte unternommen werden, desto mehr Potenzial für einen unrechtmäßig erlangten Profit sind möglich.
Selbst das aufgezeigte „einfache“ Beispiel ist bereits schwierig zu durchschauen. In der Realität wird dies durch den grenzüberschreitenden Warenverkehr, weitere Strohfirmen und sonstige Faktoren für die Steuerbehörden noch weiter verschleiert, so dass das System kaum zu durchschauen ist.
Bis die Steuerbehörden den Betrug der zu Unrecht erstatteten oder unrechtmäßig nicht abgeführten Umsatzsteuern erkennen, ist es meist bereits zu spät. Die Unternehmen sind mit den Profiten dann bereits über alle Berge.
Warum Frank Fromm?
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